Das Quality-Ticket zum britischen Markt
- Ralf Lange
- BCCG Commentary
Das Vereinigte Königreich hat sich frühzeitig auf den Austritt aus der EU vorbereitet. Sicherheits- und Qualitätsstandards sollen im Kontext globaler Märkte mit hoher Priorität weiterentwickelt werden. Damit hat man sich also zu einem Zeitpunkt befasst, als weder das genaue Austrittsdatum feststand noch ein detailliertes Austrittsabkommen mit der EU existierte.
Wichtig war und ist, dass man sich mit dem Austritt aus der EU nicht mehr im Geltungsbereich des CE-Zeichens befinden wird. Dieses Zeichen hat seine Gültigkeit im EU-Binnenmarkt.
Somit war es logische Konsequenz und Absicht, dass ein neues Qualitätswesen mit einer eigenen Marke aufgebaut und eingeführt werden musste. Bereits im September 2019 wurde die neue UKCA- Kennzeichnung (UK Conformity Assessed) vorgestellt, mit der das CE-Zeichen auf dem britischen Markt ersetzt werden soll.
Im Kern ändert sich an den technischen Produktanforderungen sowie den Verfahren zur Konformitätsbewertung erst einmal nichts. Das Vereinigte Königreich hat die bestehende EU-Gesetzgebung und Direktiven in nationales Recht übernommen. Die Europäischen harmonisierten Normen und Standards wurden in „UK designated standards“ umgewandelt und in UK veröffentlicht.
CE-Konformitätszertifikate, die von Unternehmen in der EU im Rahmen der Eigenzertifizierung selbst ausgestellt worden sind, behalten während der Übergangsfrist ebenfalls ihre Gültigkeit. Dies gilt auch für CE-Konformitätsbescheinigung, die von Benannten Dritten Stellen mit Sitz in der EU ausgestellt wurden. Man muss aber eine Einschränkung berücksichtigen: die britischen und die EU-Produktvorschriften müssen identisch sein. Sollte die EU innerhalb der Übergangszeit Anpassungen an den Direktiven vornehmen, gelten die Bescheinigungen nicht mehr.
In der Praxis sieht es so aus, dass für den UK Markt eine UKCA Konformitätsbescheinigung ausgestellt werden muss und dementsprechend am Produkt ein UKCA-Zeichen angebracht wird. Diese Zertifizierung erfolgt je nach Produktgruppe durch die Eigenzertifizierung im UK-Unternehmen selbst oder durch Benannte Dritte Stellen (BSI, TÜV etc.).
Bei vielen Unternehmen, die in der EU selbst zertifizieren, taucht verstärkt die Frage auf, wer auf welcher Basis die UKCA-Bescheinigung ausstellt. Hier muss man klarstellen, dass dies nur durch eine sogenannte „autorisierte“ Person mit Sitz in UK erfolgen darf. Unternehmen in EU dürfen dies nicht, da sie nicht unter die Zuständigkeit der Aufsichtsbehörden in UK fallen. Daraus wird deutlich, dass für UK-Unternehmen eine neue Verantwortlichkeit entstanden ist. Sowie ein EU-Produkt auf dem UK Markt einführt wird, gilt für das UK-Unternehmen die volle Verantwortung und Haftung als Importeur bzw. Hersteller. Damit entsteht die Verpflichtung, für Produkte aus der EU eine UKCA-Konformitätsbescheinigung auszustellen. Generell wird man sich an der bereits vorliegenden CE-Konformitäts-Bescheinigung aus der EU orientieren.
Unternehmen in UK sind gut beraten, intern eine autorisierte Person zu ernennen, die diese Aufgabe übernimmt. In Industrie-Unternehmen ist dies relativ einfach und wird meist vom bereits vorhandenen Qualitätsmanager übernommen. Diesem obliegt die Verantwortung, die oben erwähnte Übereinstimmung der EU und UK Direktiven zu überwachen. Bei Änderungen wird er entsprechende Korrekturen einleiten.
Eine andere Situation liegt vor, wenn EU-Unternehmen in UK mehrere Vertriebskanäle bedienen oder eine Vielzahl von Kunden beliefern. In solchen Fällen ist es schwierig oder nicht beabsichtigt, den Single Point für die Zertifizierung zu bestimmen. Gänzlich unmöglich ist dies bei privaten Endverbrauchern (b2c).
In beiden Fällen wird man zeitnah zu einer unternehmerischen Fragestellung kommen und über ein eigenes niedergelassenes UK-Office nachdenken. Das Büro kann Aufgaben einer legalen Entity wahrnehmen, die auch über das Zertifizierungswesen hinausgehen.
Diese Alternative wird ohnehin Sinn machen, wenn man direkt an der Dynamik des UK Marktes teilnehmen möchte. Es ist damit zu rechnen, dass sich kurz- bis mittelfristig Abweichungen zwischen den UK und EU-Direktiven entwickeln, da die Innovations- und Entscheidungsprozesse in UK vermutlich schneller ablaufen werden im Vergleich zur komplexen EU-Bürokratie. Dies ist auch im Hinblick auf die wachsende Anzahl von globalen Handelsabkommen und Teilnahme an globalen Partnerschaften zu sehen.
Das UKCA-Marking sollte ab 01 Januar diesen Jahres Pflicht werden. Man hat jedoch rechtzeitig realisiert, das Industrie und Handel in UK ebenso wie in der EU mehr Zeit benötigten, um sich mit den neuen Zertifizierungsanforderungen in UK vertraut zu machen. Insofern hatte man bereits eine Übergangszeit von knapp 2 Jahren eingeräumt, innerhalb derer man das CE-Zeichen in UK noch akzeptieren würde. Aber selbst diese Zeit wurde zu knapp und es gab regen Widerstand von Seiten der britischen Industrie. Die britische Regierung hat daraufhin im August die Frist um ein weiteres Jahr verlängert, sodass das Zeichen in 10 Monaten ab 01. Januar 2023 zur Pflicht wird.
Sonderregelungen gibt es für Medizinprodukte sowie ein Sonderstatut für Nordirland.
Ralf Lange
Executive Director motionfinity