Deutsch-britisches Innovationsförderprogramm ZIM D-UK geht in die dritte Runde

Am heutigen Montag geht das deutsch-britische Innovationsförderprogramm ZIM D-UK in die dritte Runde. Das ist bemerkenswert, und ein gutes Zeichen.

Bemerkenswert erstens, weil das generelle ZIM – Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand, laut Bund „größtes und wichtigstes Förderinstrument für mittelständische Forschung und Entwicklung“ – noch Mitte Dezember 2023 gänzlich geschlossen war. Egal wie innovativ und zukunftsweisend die Forschung, gleich wie lebensnotwendig für den Betrieb und/oder volkswirtschaftlich vielversprechend: dank Haushaltssperre war auch der Innovationsmotor kaltgestellt, Antragstellung ausgesetzt. Bemerkenswert zweitens, weil der Austritt des Vereinigten Königreichs sicherlich ein Hemmschuh für europäische Kooperation ist. ‚Global Britain‘ wähnte sich im Aufbruch zu ferneren, vielversprechenderen Ufern. In der Realität gestaltete sich das Projekt bekanntlich etwas komplizierter als seinerzeit von verschiedenen Tory-Politikern (‚have my cake and eat my cake‘) dargestellt wurde.

Ein gutes Zeichen ist dieser dritte Call deshalb nicht nur, weil er den Erfolg der ersten beiden bestätigt und verstetigt. Sondern vor allem, weil hier ein Signal gesendet wird: sowohl für den politischen Willen zur mittelständischen Innovationsförderung als auch für den Willen zur internationalen industriepolitischen Kooperation. Es ist gut, dass beidseits des Kanals das Augenmerk nun wieder darauf ruht, Möglichkeiten und Chancen zur Zusammenarbeit zu identifizieren. Das hat sicherlich mit der geopolitischen Großwetterlage zu tun. Das ‚De-Risking‘ von Lieferketten geschieht im Zeichen Chinas unverhohlener Verquickung von Industrie- und Großmachtpolitik und Russlands Angriffskrieges gegen die Ukraine. Beides unterstreicht die Notwendigkeit zur Kooperation unter werte- und regelaffinen Partnern und – ja, auch das – Konkurrenten, über Ländergrenzen und vermeintliche ‚red lines‘ hinweg.

Wie sich diese Entwicklungen im deutsch-britischen Verhältnis spiegeln, lohnt einen genaueren Blick. Denn das Erfreulichste am heutigen dritten call for proposals unter ZIM D-UK ist, dass er nicht allein dasteht, sondern emblematisch für einen breiteren forschungs- und industriepolitischen Sinneswandel zu sein scheint. Quasi analog mit dem Windsor Framework wurde im Februar vor einem Jahr die erste bilaterale ZIM-Runde zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich eröffnet. Runde zwei ging dann zeitlich Hand in Hand mit der britischen Entscheidung, wieder am EU-Forschungsförderungsprogramm Horizon-Europe teilzunehmen (September 2023) – ein Schritt, für den sich gerade auch EU Präsidentin von der Leyen sehr stark gemacht hatte. Die Frage liegt also nahe, ob mit dieser aktuellen dritten ZIM D-UK Runde auf breiterer Front Förder-Türen für kleine und mittlere Unternehmen aufgemacht werden sollen. Eine solche Hoffnung (die wir im FÖRDERHUB detaillierter kommentieren und analysieren) nährt zum Beispiel die zeitliche und inhaltliche Nähe zu den kürzlich unterzeichneten bilateralen UK-DE-Abkommen für Energieprojekte.

Was die praktische Umsetzung angeht, bedeutet ZIM D-UK für KMU Chance und Herausforderung zugleich. Deutschland und das Vereinigte Königreich sind zwei der innovativsten Länder überhaupt. Beide sind in Grundlagenforschung sowie angewandter Forschung und Entwicklung führend – nicht nur in Europa, sondern weltweit. So steht UK beispielsweise auf Rang 4 des WIPO Global Innovation Index 2023, Deutschland auf Rang 8. Bei Patentanmeldungen steht Deutschland global auf Rang 5, UK auf Rank 7, allerdings mit deutlichem Abstand (17.500 zu 5.700). Exzellenz also, die sich tendenziell auch noch gut ergänzt.

Allerdings sind die Innovationsfördersysteme, die jetzt ganz konkret verzahnt werden sollen, doch recht unterschiedlich. Zwar gibt sich Innovate UK, der Arm der britischen Exekutive, der mit ZIM D-UK betraut ist, betont wirtschaftsnah und zugänglich und bescheinigt sich selbst, „ein herausragendes Innovationsökosystem, das agil, inklusiv und einfach zu navigieren ist“ aufzubauen. Das kann aber nicht verschleiern, dass die Programmvolumina, die UK in der Innovationsförderung bislang einsetzt, mit denen der deutschen Regelförderprogramme nicht zu vergleichen sind. Zwar ist Innovate UK mit recht stolz darauf, zielgenau und schnell zu fördern. Aber eine Auslobung von beispielsweise 6 Mio. GBP für Biotech im ‚Northern Powerhouse‘ (der Euphemismus für den stets benachteiligten Norden Englands) verblasst im Vergleich zu jährlich Tausenden ZIM-Projekten, branchen- und regionenübergreifend jeweils mit bis zu einer guten viertel Million Euro gefördert. Dazu kommt, dass hierzulande neben ZIM ja auch noch andere Innovationsförderprogramme bestehen. Insbesondere die Forschungszulage ist hier zu nennen, die, von der zungenbrechenden Bescheinigungsstelle Forschungszulage (BSFZ) administriert, derzeit 25% Steuernachlass bzw. eine Barauszahlung bei nachgewiesenen inländischen F&E Aufwendungen nicht nur auslobt, sondern einen Rechtsanspruch darauf beinhaltet. Im Gegensatz zu ZIM war BSFZ beispielsweise auch während der Haushaltssperre für Anträge offen.

Britischen und hiesigen Fördersystemen gemein ist, dass die Antragstellung in der Praxis deutlich komplizierter ist, als die jeweiligen Projektträger sich das einzugestehen bereit sind. Als Lehrstück dafür mag, wenn auch auf einem ungleich höheren finanziellen und Komplexitäts-Niveau, Teslas letztlich frustrierte Aufgabe des Versuchs gelten, für die brandenburgische Gigafactory staatliche Zuschüsse von immerhin einer Milliarde Euro einzuwerben. Viele Mittelständler sind von der Bürokratie um die Antragstellung tendenziell eher nicht berauscht, und auch wenn alle Beteiligten redlich um Vereinfachung bemüht sind, gilt das auch für ZIM D-UK. Die erwartete Konsortialbildung beispielweise dürfte doch für den einen oder andere Mittelständler abschreckend wirken, zumal Deutschland, anders als UK, bisher noch keine Hilfsmittel zur Kooperationsanbahnung (wie z.B. Reisekostenerstattungen) vorsieht. Man darf also gespannt sein.

Fazit: Vor allem für bestehende bilaterale Forschungskooperationen lohnt die Antragstellung in der ab heute wieder für Anträge geöffneten dritten Ausschreibung im deutsch-britischen ZIM Innovationsförderprogramm. Aber auch für Firmen, die bisher nur mit einem cross-border Engagement liebäugeln lohnt sich die Abwägung – sowohl des Antragsaufwands wie auch alternativer bzw. ergänzender Förderinstrumente wie zum Beispiel der Forschungszulage (BSFZ). Insgesamt erfreulich ist, dass die Zeichen in der deutsch-britischen Innovations- und Industriepolitik wieder auf pragmatische Zusammenarbeit und Besinnung auf gemeinsame Interessen zu stehen scheinen – onwards and upwards, wünschen wir uns.

 

Dr. Henning Grunwald,

Geschäftsführer, GT-HD Growth and Technology Heidelberg GmbH

Ralf Lange,

Geschäftsführer, motionfinity & UK Representative BVMW

 

Gemeinsam kuratieren sie die Gruppe FÖRDERHUB auf LinkedIn, wo Themen rund um Innovationsförderung und Industriepolitik eine Info- und Diskussionsplattform geboten wird.

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