Reformiertes Nordirland-Protokoll ermöglicht Neustart zwischen Großbritannien und der EU

Reformiertes Nordirland-Protokoll ermöglicht Neustart zwischen Großbritannien und der EU

Seit dem Austritt Großbritanniens aus der EU im Jahr 2020 sorgen komplizierte Handelsregeln in Nordirland für viel politischen Unmut. Das sogenannte Nordirland-Protokoll wurde aufgrund des Zeitdrucks während der Brexit-Verhandlungen nicht genug durchdacht, wurde dann nach Umsetzung von vielen nicht akzeptiert und am Ende fast von der britischen Regierung außer Kraft gesetzt. Es drohte ein offener Handelskrieg mit der EU.

Die nun von Premierminister Rishi Sunak auf den Weg gebrachten Reformen des Protokolls sollen nicht nur den Handel mit Nordirland erleichtern, sondern Großbritannien insgesamt zu einer konstruktiveren Beziehung mit der EU verhelfen. Der mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ausgehandelte „Windsor Framework“ ist ein bedeutender Moment für Großbritannien nach dem Brexit. Ein pragmatischer britischer Regierungschef hat hartnäckigen Gegnern in seiner eigenen Partei die Stirn geboten und für etwas gekämpft, das aus seiner Sicht Sinn für sein Land macht. Es herrscht auf beiden Seiten nun Zuversicht, dass die Vereinbarung des „Windsor Framework“ zu einer Normalisierung der Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU, und der britischen Politik insgesamt, führt.

Riskantes politisches Spiel für Sunak

Boris Johnsons EU-Austrittsabkommen sah vor, dass Nordirland Teil des EU-Binnenmarktes verblieb, um eine destabilisierende Landgrenze auf der irischen Insel zu vermeiden. Die daraus resultierenden Handelsbarrieren zwischen Nordirland und dem Rest Großbritanniens ließen die nordirischen Unionisten gegen das Abkommen protestieren, da sie eine langsame Abspaltung der Region vom Vereinigten Königreich fürchteten. Das nun reformierte Nordirland-Protokoll ist für Sunak ein politischer Erfolg, aber auch riskant zugleich. Obwohl er einige prominente Brexit-Befürworter für seine Reformpläne gewinnen konnte, könnte ihm eine Gruppe von EU-skeptischen Tory-Abgeordneten dennoch gefährlich werden.

Die britische Labour-Partei hat hingegen ihre Unterstützung des „Windsor Framework“ bei einer parlamentarischen Abstimmung zugesagt und wird bei einer gespalteten Abstimmung der Tory-Fraktion weiter politisches Kapital gewinnen. Unklar bleibt bislang noch, ob die nordirische Democratic Unionist Party (DUP) den Windsor Framework akzeptiert und ihren Boykott zur Regierungsbildung in Nordirland aufgibt. Das andere Ziel, die Regionalregierung in Belfast wieder zu etablieren, wird das Abkommen vielleicht nicht erreichen. Aber Sunak hat recht mit seiner Einschätzung, dass den breiteren Interessen des Vereinigten Königreichs besser gedient ist, wenn sein Deal vorangetrieben wird.

„Windsor Framework“ erleichtert inner-britischen Handel

Der britische Premier scheint mehr erreicht zu haben, als viele in seiner Partei erwartet hatten – was vielleicht ein Zeichen dafür ist, dass er Vertrauen in Brüssel gewonnen hat. Wenn es zur Umsetzung des Abkommens kommt, kann Sunak behaupten, dass er einen „reibungslosen Handel“ innerhalb des Vereinigten Königreichs wiederhergestellt hat. Erreicht wurde dieser Kompromiss mit dem Vorschlag zur Einführung einer „grünen Spur“ für Warenimporte aus Großbritannien, die für den nordirischen Markt bestimmt sind und nur noch minimalen Kontrollen unterliegen werden, und einer „roten Spur“ für Waren, die für den irischen bzw. den EU-Markt bestimmt sind.

Die EU-Verhandlungsführer sind mit anderen wichtigen Punkten weniger weit gekommen. Aber während der Europäische Gerichtshof das letzte Wort in Fragen des Binnenmarktes in Nordirland behält, ist seine Rolle begrenzt, und London, nicht Brüssel, wird nun das letzte Wort über die Regelungen zur Umsatzsteuer (VAT) und die staatlichen Beihilfen in der Region haben. Entscheidend ist, dass das Abkommen der nordirischen Regierung eine „Notbremse“ einräumt, insofern Änderungen von EU-Warenvorschriften „erhebliche und dauerhafte Auswirkungen“ auf das tägliche Leben in Nordirland haben – allerdings wiederum mit einem Veto der britischen Regierung, insofern die Notbremse gezogen wird. Dies soll einen Anreiz für die DUP sein sich wieder an der nordirischen Regierung zu beteiligen.

„Windsor Framework“ ermöglicht politischen Neustart

Sunak hat den Kollisionskurs beendet und scheint die britische Regierung zu einem wünschenswerten Neustart mit der EU zu verhelfen. Von der Leyen schlug zum Abschluss ihrer Reise vor, dass die Verhandlungen zum Wiederbeitritt Großbritanniens in das 95-Milliarden-Euro-schwere Horizon-Programm nun schnell beginnen könnten, was ein riesiger Preis für die britische Wissenschaft ist. Der Deal könnte Sunak auch helfen, Fortschritte bei den illegalen Bootsüberquerungen im Ärmelkanal zu machen, wenn er im März Emmanuel Macron trifft. In einem veränderten Europa nach dem Invasionskrieg in der Ukraine bietet der „Windsor Framework“ die Aussicht auf ein neues Verhältnis zwischen London und den EU-Partnern. Vorausgesetzt der „Windsor Framework“ bekommt die Zustimmung des Parlaments in Westminster, könnte dies ein erster Schritt sein, die Brexit-Jahre vergessen zu machen.

 

Alexander Altmann LLM (Tax) FCCA

Partner, Blick Rothenberg

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